Die Arktis! Wir sind da! ... oder "Entschuldigung Herr Wal, könnten sie uns bitte mal durchlassen, wir möchten bitte nach Spitzbergen!"

 

Das ist die Arktis.

Definitiv.

Wir sind da und ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Kalt, saukalt, a…kalt , auf der Überfahrt Wale bis zum Abwinken, eine Landschaft, die einem in aller Deutlichkeit vor Augen hält, daß man nur ein ganz, ganz kleines Würmchen ist.

 

Aber der Reihenfolge nach.

 

Letzten Samstag kam unsere neue Crew an Bord, bestehend aus Thorsten, Pierre sowie Constanze und Konrad aus Österreich (Conny und Konni… wie praktisch). Constanze und Konrad eigentlich ohne Segelerfahrung, Thorsten und Pierre als alte Hasen. Nach ein bißchen obligatorischem Sightseeing in Tromsö für die neue Crew, machten wir uns Sonntag Richtung Torsvarg als Absprungshafen auf den Weg.

Ein ziemlich gähnend langweiliger Trip bei wenig Wind und unter Motor und dem immerwährenden Nieselregen. Torsvargs Sehenswürdigkeit ist eine Fischreste-Rutsche, über welche die verschmähten Fischreste der Sportangler einer gefräßigen Möwenschar  vorgeworfen werden. Ansonsten versprüht es den idyllischen norwegischen Charme eines Utilisationsortes. 

 

Also nochmal Luft geholt und Montagmittag vom norwegischen Festland los.

 

Die Überfahrt läßt sich beschreiben mit KÄLTE-KACHEL-KOTZE. Wobei „Kachel“ es nicht ganz trifft: Max. Windspeed 25 Knoten aber eine widerliche Welle ohne Konstanz/Richtung/Frequenz. Diese führte schnell zum Totalausfall bei Pierre (schon bekannt und erwartet… warum tut der Mann sich das immer wieder an???). Banane schmeckt vorwärts und rückwärts (O-Ton Pierre)! Und auch unsere Ösis fütterten fleißig die Fische mit Akkuratesse. Conny (Contanze ) schaffte es mit bewundernswerter Disziplin die am Heckkorb befestigten Festmacher im Reihern zur Seite zu halten und hinterher wieder fachgerecht zu reponieren. Eine Qual war und ist das Anziehen zum Wachanfang: im Geruckel und Geschuckel unter Deck bei gleicher Innen -wie Außentemperatur in die a….kalten Klamotten. Dann die Kälte draußen, insbesondere wenn man gleich ans Roer muß.

 

Ein ganz großes Dankeschön an dieser Stelle an Thorsten: der ist ne Bank! Wichtig ist, daß man ihn vor Wachbeginn mit Kalorien druckbetankt, dann stellt er sich ans Roer, friert da fest und vier Stunden später pult man ihn da wieder ab. Dann flitzt er in die Koje und fällt ins Koma. Der Arme hat übrigens die ganze Zeit mit Kategorie 5 Füßen zu kämpfen!

 

 

Wir unterscheiden inzwischen fünf verschiedene Arten von kalten Füßen:

 

1.Stadium: Füße voll funktionsfähig/ Sensibilität voll gegeben

 

 2.Stadium: allgemeines Kältegefühl aber Erhalt der Sensibilität bis Fußmitte ohne Zehen

 

3. Stadium: plantarer Sensibilitätsverlust aber ohne Beeinträchtigung des Stehvermögens

 

4. Stadium: Sensibilitätsverlust des kompletten Fußes mit Kältegefühl bis Wadenmitte, zum Ende der Freiwache wieder Stadium 2 

 

Stadium 5. Sensibilitätsverlust bis Knie und Freiwache reicht nicht zum Wiedererlangen der vollen Sensibilität.

 

 

Hygienisch unterscheiden wir den kleinen und großen Schmierdienst:

 

Kleiner Schmierdienst ist Zähneputzen, großer Schmierdienst ist Zähneputzen, Haare kämmen, 1x Feuchttuch und Deo

 

Sauber 😊

 

Der Stallgeruch ist bestimmt vorhanden, ist von uns aber bis jetzt unbemerkt geblieben. Wir können uns gut riechen!!!

 

 

Dienstagnacht kamen wir dann auf Björnöya an, eine Insel, die dem erschöpften Segler mit aller Macht entgegenschreit, daß er hier nicht wirklich was zu suchen hat. Das Hauptplateau wurde von den Briten „Misery Fields“ getauft… das sagt alles. Schwarz, nackt und wie eine Festung, zumindest die Südseite. Wir konnten die ausgeguckte Ankerbucht sowie die Alternativen wegen Schwell und fliegendem Wasser nicht anlaufen. Wir verpieselten uns dann nach Norden in den Schatten einer alten Bergbauruine und palaverten noch sehr lustig via VHF mit der lokalen Radiostation um 01:00 nachts. Den aktuellen Wetterbericht für den nächsten Tag erhielten wir auch gleich: „No gale warning. Just moderate winds SW 7-8 .“ …

Moderate… ja du mich auch!

Kochen fiel wegen überwältigender Müdigkeit aus und wir schlabberten schnell unsere heißgeliebten Thai-Instantsuppen, um dann komatös bis 12:00 Uhr mittags zu schlafen. Der nächste Tag wurde bei moderaten 8 am Anker verdaddelt, an Land konnten wir leider wegen der moderaten Bedingungen nicht, aber an Bord wurde nichts vermißt: wir sind hüttentauglich!

 

Sehr auffällig, seitdem wir das norwegische Festland verlassen hatten, war die plötzliche Fülle an Tieren. Während an der Küste eine Möwe eine Seltenheit war, Robben oder ähnliches gar nicht vorkamen (Robben werden mit Kopfgeld gejagt und was die Norweger gegen ihre Vögel haben , weiß ich nicht), tummelten sich auf Björnöya endlich die Eissturmvögel, Papageientaucher, Lummen und Krabbentaucher. Die Viecher haben so gut wie keine Fluchtdistanz und insbesondere die Eissturmvögel fliegen bis auf wenige Meter an uns heran. Sehr lustig: ich hatte was am Anker gefummelt, richtete mich auf, dreh mich um und hinter mir schwebte ein Eissturmvogel in 1,5m Abstand und guckte was ich da mache. Hab ich mich erschrocken!

 

In der Nacht waren auch „unsere“ Franzosen von der SY Zeroalinfini, welche wir schon aus Tromsö und davor kannten, angekommen und hatten sich in der Nähe vor Anker gelegt, anscheinend mit denselben Schwierigkeiten wie wir konfrontiert. (Das hatte ich aber nicht gebucht: völlig überfüllter Ankerplatz!) Natürlich quatschten wir ein bißchen über VHF, Pierre mit seinem Migrantenfranzösich 😊 . Nach der anstrengenden Steuerei von Torsvag nach Björnöya, hatten wir nicht so richtig Lust weiterzufahren, aber am nächsten Morgen starteten die Franzosen, da mußten wir natürlich dann hinterher. Diesmal mit 4-Stunden-Wachen statt 3, Pierre gleich wieder in die Waagerechte und genauso einer Sch..welle. Kalt-kalt-kalt. Warum machen wir das nochmal?

 

Ein paar Stunden später wußten wir es: eine Begegnung der dritten Art! Wir hatten vorher schon ein paar gesehen so im Abstand von 200-100m, mal ne Rückenflosse, mal nur der Blas. Aber dann tauchte an Steuerbord eine Gruppe Finnwale in ca. 300m Entfernung auf und kam schnell näher, genau unseren Kurs kreuzend. In Null Komma nix waren sie am Boot und den einen hätten wir fast gerammt, so nah ist der vor dem Bug abgetaucht. Keine 2m vor dem Bug so´n 15m Vieh ist schon was. DESWEGEN machen wir das! Einer von der Gruppe änderte dann seinen Kurs und schwamm noch einige Minuten mit uns in 20m Entfernung an Backbord mit , um dann wieder seinen Kumpels zu folgen. Ja, da frier ich mir doch gern nochmal die Füße ab!

 

Donnerstagnacht erreichten wir den Hornsund und legten uns vor der polnischen Forschungsstation vor Anker.

 

Durch das immerwährende Tageslicht und das Wachsystem sind wir inzwischen zeitlich völlig desorientiert. (running gag: „Wie spät ist es?“ „Sieben!“  „Ja, Mann welches??“) Deshalb haben wir bei Ankunft im Hornsund nachts erstmal angefangen eine sensationelle Kartoffelsuppe zu kochen (alles rein was weg muß!) und sind um 02:00 schlafen gegangen.

 

 

Am nächsten Morgen um 06:00: ein ungewohntes Geräusch, was uns wie die Taranteln aus den Kojen schießen ließ: ein leichtes Klatschen /Klickern/Glucksen. EIS! Und zwar überall rund ums Boot. Innerhalb von zwei Minuten standen Merle und ich in voller Kluft am Anker, fertig zum Abflug… und völlig überwältigt von dem Anblick! Stücke von ganz klein bis ca. 2m Durchmesser kamen mit affenartiger Geschwindigkeit (geschätzt 1-2 Knoten, also ca. 2-4 Km/h) auf uns zu und zuckelten an der Ankerkette bzw. kratzten am Rumpf entlang. Der Wind hatte nachts gedreht und der Hansbreen-Gletscher beglückte uns mit seinen „Kälbern“, welche jetzt in die Bucht und auf unseren Liegeplatz gepreßt wurden. Kay hielt nochmal Rücksprache mit der polnischen Forschungsstation, wie der Eisgang zu bewerten sei und ob man das aussitzen könnte. Wir haben halt wenig Erfahrung damit und sind lieber vorsichtig. Nachdem die Polen meinten, das wäre nicht so schlimm, beschlossen wir zu bleiben. Allerdings blieben wir skeptisch. Jetzt kamen unsere viel belächelten und sogar verhöhnten „Eis-Schiebe-Stangen“ zum Einsatz! Ja Leute die Dinger machen Sinn! Gut, daß wir sie hatten! Wir waren also erstmal eine ganze Zeit damit beschäftigt die dicken Klopper von Ankerkette und Rumpf, insbesondere Ruderblatt fernzuhalten. Gar nicht so einfach! Ab 50 cm Durchmesser schiebt man so´n Ding nicht mehr so einfach. Das ist echt Arbeit. … Vor allem, wenn dann eine Stunde später der Wind wieder dreht und die ganze Sch… wieder aus der Bucht zurückkommt! So ein Elend Egal, irgendwann hatte sich der Spuk verzogen und wir machten das Dinghy klar, um zu den Polen an Land zu kommen. (Wie sich da herausstellte, hatte die Dame an der Funke, welche wir wegen des Eisgangs befragt hatten, nur aus dem Küchenfenster geschaut: da war kein Eis gewesen!! Ja super .. Sie meinte nur, als sie aus einem anderen Fenster geschaut hätte, hätte sie erst gesehen, daß ja doch Eis war, aber wir hätten uns ja helfen können und hätten ja schon fleißig geschoben. … Spitze!)

 

 

Der erste Landgang nach sechs Tagen an Bord war zunächst etwas umständlich: das neue Dinghy aufbauen und zu Wasser lassen, Waffe präparieren, Instruktionen, wie die Gruppe an Land zusammenbleibt… es dauerte eine Stunde bis wir uns angetüddelt hatten. Die erste Gruppe, die an Land ging (ins Dinghy passen max. 5 Leute) hatte auch sofort eine niedliche Begegnung: ein Polarfuchs schnürte in 5m Entfernung ohne jegliche Scheu an uns vorbei und nahm dann Kurs auf einen von uns am Strand abgelegten Rucksack…. und kackte rotzfrech direkt davor! Neues geflügeltes Protestwort an Bord: „Ey Alder, isch kack Dir vor Rucksack!“ 

Eine Minute später entdeckten wir unsere ersten Rentiere, welche genauso unbeeindruckt von uns durch die Gegend wackelten. Der Besuch auf der Forschungsstation war überwältigend: die dort ansässigen polnischen Forscher freuen sich über Besuch, obwohl es inzwischen im Sommer recht häufig vorkommt, daß ein Segelboot ankommt. Wir wurden mit Kaffee und Kuchen empfangen und ein junger Mann bot uns an, uns zur nahegelegenen Vogelkolonie zu begleiten (was wir gehofft hatten). Begleitet wurden wir dann auch von zwei Schlittenhunden (Putin… geiler Name für ne Töle😊) welche wir mindestens genauso häufig fotografierten wie die Vögel und Ren und „Blumen“.

Die Landschaft ist sensationell, wenn man von gewohnter Opulenz und Üppigkeit Abstand nimmt. Ein gutes Auge und ein offenes Herz sind schon notwendig, um Zugang zu den Schönheiten zu finden. Leicht läßt sich hier nichts konsumieren. Nichts ist mal eben schnell erreichbar, alles muß sich erarbeitet werden, teilweise weit ab von jeglicher Komfortzone und damit zum Glück für den größten Teil der Touristen unerreichbar. Das würde die Landschaft auch nicht verkraften: wir laufen auf Zehenspitzen durch die Mondlandschaft vor uns, versuchen möglichst keine der kostbaren kleinen Blumen, Pilze und Bäumchen zu zertreten, wobei das teilweise unmöglich ist. Apropos Bäumchen: nicht was ihr denkt- die Spitzbergen-Birke wird 0,5-1 cm hoch und ist damit kleiner als die Pilze mit 1,5cm 😊 die Blumen sind winzig und nutzen jegliche Art von Windschatten. Durch die Kälte dauert ein Reproduktionszyklus teilweise Jahre und Insekten gibt es sichtbar so gut wie gar nicht. Wir haben ein Foto von einer Fliege gemacht! Das stelle man sich mal zu Hause vor! Auch der Zerfall von Rentierkot zum Beispiel dauert Jahre. Es ist für Bakterien halt zu kalt.

Zurück auf der Station plünderten wir noch die Souvenir-Kiste und zogen dann wieder ab an Bord. Inzwischen waren auch unsere Franzosen wieder da und hatten sich in Sichtweite vor Anker gepackt.

 

 

Am nächsten frühen Morgen wieder Kaltstart. Klickern, Glucksen, Schmatzen, Knistern… und raus aus den Federn, rein in die Klamotten. Auch die Franzosen waren wachsam geblieben und holten zeitgleich mit uns den Anker auf (die Franzosen übrigens mit einem sau-stabilen Aluschiff, aber dem gleichen Respekt vorm Eis wie wir… Eis macht Beulen in Aluschiffe..) und Abflug zum Bellsund. Dort einige Stunden später im immerwährenden Nieselregen aber mit bester Stimmung an einen wie wir fanden wunderschönen Ankerplatz (Reinholmen), super geschützt in der Nähe des Recherche-Gletschers.

 

 

Am Abend wartete der Skipper mit einer unglaublichen Überraschung für uns auf: weil wir so fein mit dem Wasser gehaushaltet hatten, dürften wir DUSCHEN!... bitte was nochmal? Du meinst so mit warmen Wasser direkt auf die Haut? Hammer! Und jetzt zahlte sich aus, wie super unsere Crew funktioniert und rationiert hatte! Keine Diva-Allüren, keine Extrawurst, kein Tüddellüt hier, kein Wärmfläschchen dort. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen: Ratzi-fatzi waren alle von Kopf bis Fuß durchgeduscht, zwei Mädels mit langen Haaren (!) … Wasserverbrauch: 30 Liter !!!! Wir sind toll!

 

 

Am nächsten Morgen oh Wunder etwas Sonne … und kein Regen … und oh ! … ein Stück blauer Himmel… und welch ein Anblick! Sechs Gletscher von unserem Ankerplatz sichtbar, vor imposanter Kulisse mit hohen Bergen, teilweise von Wolken umflossen… und nen paar arschwackelnde Rentiere am Strand… echt kitschig.

 

 

Nach dem Frühstück sind wir ganz nahe an den Recherche-Gletscher gefahren und unsere bergbewanderten Ösis klärten uns über Gletschertore, Gletschermehl und Gletschermilch auf. Die Ösis kriegten vom Skipper übrigens ein dickes Lob: „Segler muß man offensichtlich nicht unbedingt sein, aber eine gewisse Härte sollte man schon mitbringen!“  Konrad laborierte zeitweise an einer Erkältung, wurde allerdings kollektiv niedergebuht, so daß er seine Erkältung schnell ad acta legte und sich für wieder gesund erklärte. Armer Kerl😊

 

 

Vom Recherche-Gletscher dann weiter in den Van-Keulen-Fjord nach Fleur de Lys, eine sandige Ankerbucht mit einer aktiven Schutz- und Jagdhütte und vier verlassenen Walfangbooten, welche seit über hundert Jahren Kopf über am Strand liegen und fast vollständig erhalten sind. Es verrottet halt nix! Ein Traumplatz. Wir sind mal wieder sprachlos. Auch hier tipseln wir auf Zehenspitzen, um möglichst weinig kaputt zu machen. Gleichzeitig gelingt es uns auch einigermaßen in Formation zu bleiben. Bei jedem Hügel und jeder uneinsichtigen Stelle heißt es vom Skipper „Waffen voran!“ .. etwas seltsam ist das Spazierengehen auf diese Weise schon, aber hilft nix: Wir wollen nicht vom Eisbären überrascht werden und bei den Polen ist einer letzte Woche über die Station gestromert. Na prima!

 

 

Und dann wieder los nach Norden. Auf dem Weg dann die Sichtung von Belugawalen. Leider weit weg, ca. 300-400m, aber deutlich die weißen Walkörper zu erkennen! Wahnsinn. Nach den Finnwalen jetzt die zweiten der BIG FIVE von Spitzbergen (Finnwal Beluga Walross Blauwal Eisbär… eigene Definition)

 

Fridtjoffhamna war dann unsere nächste Station, wieder ein Ankerplatz in unmittelbarer Nähe zum Gletscher aus dem sich fette Klopper lösten, aber brav an der Ankerbucht vorbeitrieben. Bizarre Stücke teilweise von 10-20m Durchmesser, welche in der Lagune vorm Gletscher auf Grund liefen und uns neu entstandenen Untiefen anzeigten, welche unsere aktuelle Karte (2006 ist das Neuste) nicht aufzeigt. Insgesamt ist das Navigieren teilweise spannend. In diesem Bereich zum Beispiel ist der Gletscher nicht zurückgegangen, sondern hat sich wegen erhöhter Fließgeschwindigkeit tiefer ins Meer geschoben. Auf die Tiefenangaben kann man sich nicht verlassen und sehen kann man wegen der Gletschermilch sowieso nix.

 

 

Am nächsten Morgen strahlender Sonnenschein. Fototermin!! Anker auf und ab vor den Gletscher, so nah wie vertretbar. Dinghy ins Wasser und Fotos, Fotos, Fotos ! Gletscher solo, Gletscher mit Cutting Edge, Leute mit Gletscher, Gletscher mit Leuten, Eisscholle mit Vögel, Cutting Edge vor, hinter und neben Eisscholle… einfach toll! So eine große Eisscholle ist ja verlockend, aber die Gefahr des Kenterns von so einem Ding ist uns schon bewußt und auch an den Gletscher trauen wir uns, insbesondere im Dinghy nur auf wenige hundert Meter ran. Nichtsdestotrotz kann ich es mir nicht verkneifen zumindest an einer Eisscholle „anzulegen“. Hier pflücken wir auch DAS Eis für DEN Gin Tonic, das angekündigte Ziel unserer Reise! Check!

 

 

Dann alles wieder eingepackt und Richtung Barentsburg bei null Wind und mit Motor. Und jetzt gings los: zuerst ein Walross… daddelte da so im ruhigen Wasser rum, tauchte dann aber leider mit wedelnden Füßchen ab und eine Stunde später am Eingang zum Isfjord zwei Blauwale! Un-glaub-lich! Die Viecher waren leider auch weit weg, wieder so 400 m, aber Tele sei dank haben wir gute Bilder vom Blas und der Finne. Wir wußten, daß seit einigen Wochen sich zwei Blauwale im Isfjord rumtreiben, aber das leibhaftig zu sehen ist schon der Knaller! Finnwale/Belugas/Walross/Blauwal…. Fehlt nur noch der Bär! Bitte nicht zu nah…

 

Abends dann in Barentsburg, einer alten russischen Kohlesiedlung fest und mal wieder das für diese Crew inzwischen legendäre Mitternachtsfressgelage bis zum Pupillenstillstand eingeleitet. Danach rafften wir uns um 01:00 noch zu einem Verdauungsspaziergang auf… wie gesagt: zeitlich völlig aus dem Trott. Barentsburg ist der Knaller: es wird noch Kohle abgebaut, 30% davon verbrauchen die 300 Restpeople aber selber für Schwimmbad, Gewächshäuser und Kuhstall, alles in gediegener Unordnung und trockenem Verfall, filmkulissenreif. Bestes Set für Western mit diesen windgetriebenen Buschbällchen (die müßten wegen nix Busch von der Requisite gestellt werden) oder Addams Family. Die alten Häuser aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts haben sie stehengelassen und dahinter schmucke neue sozialistische Architektur erbaut. Ein krasser Kontrast zwischen teilweise liebevoll geschnitzten Dachrändern und Türen und blau/rot beplatteten Quadern. Es gibt drei Autos, die eine 100 Meter-Kohlenstaub-Schotterpiste vor und zurück fahren können, ein definitiv Filteranlage- und effektfreies Kraftwerk, sturzbesoffene junge Männer, sechs niedlich im Rondell angeordnete, zersplitterte Kandelaber am nett gemeinten Siedlingszentrum, überwacht von einem an eine Hauserwand gemalten pelzverbrämten Gesicht mit Durchhalteparole in Russich. Hollywoodlike klebt ein nicht mehr zu entziffernder Schriftzug in der permafrostigen Bergwand hinter der „Stadt“. Spooky!

 

 

Heute Morgen dann nach Trygghamna zum Vogel-Sightseeing… und man merkt, daß wir uns Longyearbyen und den Touris nähern: wir können via Fernglas am Fuße des Vogelfelsens zwei Reisegruppen ausmachen. Mindestens zwanzig Menschen: hilfe, wir ersticken! Inzwischen haben wir uns in unserer Mini-Community sehr gut eingelebt, wir kennen Eß-, Schlaf und Pubsgewohnheiten aller Crewmitglieder, können alle Handschuhe, Socken, Mützen und Schwimmwesten eindeutig zuordnen, die bilateralen Gespräche zwischen den Nationen haben zu tiefen Einblicken und profundem Verständnis der anderen Kultur geführt. Conny (Constanze) beklagt ihr schwindendes Österreichisch und ihre erschreckende Adaptation ans Hochdeutsch, wir sind Profis mit Gackerlsackerln, Paradeis , Heferln, Leiberln und „als-wie-wenn“.  Und wir können uns immer noch gut riechen!