Lofoten

Und wir daddeln immer so weiter. Rolf und Esther sind die entspanntesten Zeitgenossen überhaupt. Wir vermeiden irgendwelchen Streß und verholen nach Svolvaer, wo wir mit Peter aus Stokmarknes verabredet sind... mit HUND !! Peter lebt seit 10 Jahren in Norwegen, brabbelt so gut Norwegisch, daß die Norweger nicht wissen ob das ein Nordwest- oder Nordost-Dialekt ist, den er da spricht und hat einen Köter der schlicht zum Knutschen ist. Am Sonntagnachmittag trifft er dann zum gut-deutsch-kleinbürgerlichen Kaffee um drei Uhr mitsamt Kuchen auf der Cutting Edge ein. Der Knutscheköter muß leider oben auf der Kaimauer bleiben, aber zwischendurch ist mal Hochwasser und er kann uns für ein / zwei Stunden sehen, bevor wir wieder in der Tiefe verschwinden. Wir quatschen bis der Arzt kommt, bzw. bis die Fähre geht und erfahren viel Insiderwissen über den norwegischen Habitus.

Wir wollen uns ja nicht beklagen und wir haben sicherlich auch unsere Macken (neeeehh ach i- wooo) aber die Norweger machen auf uns einen mehr als distanzierten Eindruck, um nicht zu sagen einen unhöflichen. Wir haben es uns längst abgewöhnt zu grüßen, weil wir uns langsam doof vorkamen und mein Vorsatz, am Ende der Reise etwas mehr Norwegisch als Guten Tag und Auf Wiedersehen zu können, hab ich schnell begraben. (Ich kann auch arrogant! Und wie!)  Über "Kvittering for Tankering" (Quittung für Tanken) werde ich (und Merlemaus) nicht mehr hinauskommen! Peter bestätigt, daß man die Nordmänner erstmal weichkochen muß. ...Nee muß ich nicht. Bin eingeschnappt!

In Svolvaer liegen wir zwei Tage wegen des norwegischen Jahrhundertsommers. Leider logieren wir nicht am gefälligen Schwimmsteg (der ist zwar im Hafenhandbuch eingezeichnet und das Hafengeld wird schon mal genommen, in echt wird der aber gerade erst an dem Tag geliefert und treibt noch provisorisch im Hafenbecken.) Stattdessen raspeln wir mit 2,5m Tidenhub an einer Spundwand hoch und runter. ich liiiiieeeeebe Fenderbretter! Und ich liebe Niedrigwasser, wenn wir im Abgrund versinken und die Hurtigruten-Touristen uns nicht bis in den Salon gucken können. (leider kann uns dann der Hund auch nicht mehr sehen!)

Den zweiten Tag in Svolvaer fahren wir auf Peters Tipp hin mit dem Bus drei Inseln weiter ins Wikinger Museum. Lohnenswert! Eine sehr aufwendige Ausstellung am Fundort eines Wikinger-Langhauses mit der Nachbildung in Originalgröße. Im Haus kann man alles anfassen und ich interessiere mich vor Allem für die Klamotten. Meine Vermutung ist, daß die alten Nordmänner in punkto Thermotechnik gar nicht so schlecht unterwegs waren. Auf Wolle und teilweise Fell haben wir ja auch erfolgreich zurückgegriffen und das Schichtsystem haben nicht Globetrotter und Co erfunden. Amundsens Erfolgsrezept waren nicht nur seine Hunde, die er auch als Proviant eingeplant hatte, sondern auch seine fehlende Arroganz gegenüber den Fell-Anoraks der  Inuit ( von denen stammt übrigens der Name "Anorak") . Scott hüllte sich in gewachste Baumwolle à la Barbour und ist elendig aber dafür stilecht  verreckt! In der Ausstellung hatten sie mit unheimlichen Aufwand Schuster und Webwerkstätten voll funktionsfähig nachgebaut und ein paar Darsteller waren da fotogen am Frickeln. Auf Nachfrage zum Leder oder der Webtechnik kam dann aber echt Erstaunliches heraus, denn die Leute hatten auch nettes Background Wissen. Zum Museum gehörte auch ein funktionsfähiger Nachbau eines Wikinger-Segelbootes (mit VHF und Motor als sicherheitstechnisches Zugeständnis) am nahegelegenen See. Damit wurde im Rahmen der Ausstellung auch in echt gesegelt und das hätte uns schon interessiert. War aber zuviel Wind an dem Tag . Ach was. Auch hier echt interessante Details und Eigenschaften dieser Kisten, in die mich auf den ersten Blick keine zehn Pferde kriegen würden: fast kein Freibord, eine abenteuerliche Ruderkonstruktion, runde Steine als Ballast (damit sie im Falle der Kenterung schnell rauskullern und das Boot wieder aufgerichtet werden kann... na super) und alles offen für Wind und Regen. Die waren schon etwas anders drauf die Jungs!

 

Tagsdrauf tüddeln wir nach Skrova. Eine Wahnsinnstour von 5 Seemeilen, die uns schlicht an unsere emotionalen und körperlichen Grenzen bringt: kaum haste die Fender und Festmacher verstaut, reißt du sie auch schon wieder raus :-) Ein Streß ist das!

Wer hat das Buch: "Das Buch vom Meer" gelesen? That's the place! Am Hafen erkennen wir von weitem das Aasjordbruket und auf dem Dach steht einer der Protagonisten, Hugo, und hämmert. Als wir später das Haus auch von Land aus in Augenschein nehmen, stellen wir fest, daß der introvertierte Hugo aus dem Buch unter seiner plötzlichen Berühmtheit wohl ganz schön leiden muß. Das Haus ist eine Art Kulturzentrum und man kann sich frei darin bewegen. Malerisch und etwas spooky. Allerdings deutet Einiges daraufhin, daß der Zutritt ursprünglich nicht für Hinz und Kunz gedacht war. Ich denke der gute Hugo ist seinem Freund, der das Buch geschrieben hat, nicht unbedingt dankbar. Lesenswert!

Wir schlendern so durch die Gegend und bleiben eine ganze Weile auf einer kleinen felsigen Halbinsel mit kleinem Leuchtfeuer und genießen Details. Rolf und Kay machen Fotos. Ah Entschuldigung, keine Fotos: Kunstwerke! Die Hightechkameras werden verstellt und verschoben und es wird sich gebückt, gekniet, gekrochen und gerobbt,  um die besten Einstellungen für was auch immer zu bekommen. Esther und ich zücken bloß die Handies und machen schnöde i-phone-Fotos. Auch sehr schön. Leider verpassen wir beide fototechnisch den Augenblick, in welchem die beiden Herrn die Hintern parallel gen Himmel gestreckt  vor einem Objekt "beten".

Am späten Abend können wir unser Glück kaum fassen: Nordlichter! Nicht super stark, aber deutlich und für meine Ansprüche total ausreichend. Peter hatte uns schon vorgewarnt, wir sollten tüchtig Ausschau halten. Wir haben sogar eine App dafür runtergeladen :-)

Ich bin völlig baff. Das ist die Krönung eines wunderschönen Tages, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Wir haben festgestellt, daß die Tour da hoch nach Spitzbergen (Land of no Mercy) doch ganz schön auf die Akkus gegangen ist. Jetzt ist das Land sanft und gütig. Wir tanken auf.

Nächste Station Hellnessund. Wir verbringen einen herrlichen Segeltag im Schärengarten an der Südküste des Vestfjord. Meine Mutter würde sagen : ein Tag wie Samt und Seide. Leichter Wind 10-15kn und 18 Grad... wir reißen uns die Klamotten runter.

Wußtet ihr schon: es gibt gute Waschmaschinen und es gibt böse Waschmaschinen. Bisher genoß dieses technische Glanzstück der Ingenieurkunst mein volles naives Urvertrauen: aber es gibt ganz gemeine urböse Exemplare davon! Fiese Viecher! In Hellnessundet steht so eine. Zunächst mal wieder der Sirenengesang, der Lockruf von Frische und Sauberkeit. Wir hatten zwar gerade in Finsnes gewaschen, aber in einer Woche sammelt sich halt schon wieder was an . (Noch nicht bedrohlich. Wir hätten überlebt.) Also wir folgen dem Locken und stehn  vor einem ....Toplader.

Wassn das? Gibts das noch? Dachte das haben nur die Amis, weil die das mit den Dichtungen nicht hinbekommen. Na gut . Wäsche rein. "3 in 1" Flüssigtabs hinterher. Auch gleich zwei, denn irgendwie waschen die Waschmaschinen nördlich des Polarkreises nicht so wie meine! Die Wäsche muffelt irgendwie sofort wieder. Programm starten , alles klar. Nach zwei Stunden geht Kay hin und will die Wäsche in den Trockner schmeißen. Nach dem Öffnen stellt er fest, daß das Wasser zwar eingelaufen, das Scheißding aber nicht rotiert hat. Effekt ist folgender: die 3in1 Flüssigtabs haben sich lokal aufgelöst, aber nicht verteilt und kleben jetzt wie aufgelöste Gummibärchen in der Wäsche. Die Klamotten sind ansonsten genauso dreckig wie vorher. Großes Kino: statt dreckiger Klamotten jetzt dreckige und nasse und verklebte Glibberklamotten. Kay steht eine Stunde unter der Dusche und entfernt den größten Mist und wringt die SCH... weitesgehend aus. Danach wandert alles in den Trockner, denn wir wissen nicht wann die nächste Waschmaschine wieder erreichbar ist. Super Aktion.

Ihr doofen Waschmaschinen nördlich des Polarkreises: ihr seid alle ein Nichts gegen meine zu Hause! Das ist sowieso die Beste! Mit bestem isernhägener Wasser! .... und sie ist mehrsprachig und kann auch Norwegisch! ....Ätsch!

Alsdann dödeln wir mit Anti-Warp-Speed Richtung Kjerringöy, tiefenentspannt, genußorientiert und wegen der horizontalen Grundhaltung langsam Dekubitus-gefährdet. Kjerringöy hat alles: Dusche, Toilette, Waschmaschine, Wasser, Strom, Schwimmsteg und strotzt dazu vor Idylle: wunderschön! Und: ALLES funktioniert! Die verklebten Stinkeklamotten werden entseucht, wir duschen zum vierten oder fünften Mal auf dieser Etappe und tadeln uns ein wenig ob unserer Maßlosigkeit, sogar das Schiff wird geschrubbt: mit Süßwasser! Völlerei!

Wegen dramatischer Wetterverhältnisse am nächsten Tag mit sechs ganzen Windstärken gepaart mit der hochgradigen Unlust der Crew, auch nur im Geringsten naß oder angeweht zu werden, machen wir einen auf Kultur und besichtigen das örtliche Museum und Anwesen einer ehemaligen Kaufmannsfamilie. Nett gemacht, alles hübsch und apart... leicht verdaulich und keine Gefahr der Reizüberflutung. Dennoch völlig mitgenommen vom intellektuellen Anspruch wollen wir zurück an Bord stromern und an den Kissen horchen, als wir auf dem Rückweg an einer Bootsbau-Werkstatt vorbeikommen und durchs staubige Fenster lugen: drinnen stehn  zwei Typen um den Beginn eines Wikingerbootes. Zaghaft öffnen wir die Tür zur Werkstatt und fragen artig , ob wir mal einen Blick reinwerfen dürften. Aufgrund der norwegischen Verbindlichkeit erwarten wir eigentlich irgendeine Art von Wurfgeschoss in unsere Richtung. Wie sich herausstellt, ist der eine Typ aber Deutscher und der andere der Bootsbauer und beide freuen sich über unser Nachfragen und Interesse. Echt süß: ein Witwer aus Ostholstein läßt sich da in Kjerringöy ein Wikingerboot bauen, ist die ganze Zeit dabei, wohnt sogar beim Bootsbauern und will die Karre dann mit Trailer nach Hause ziehen und auf der Ostsee segeln. Männerträumchen. Die Bauweise von den Dingern ist super spannend und der Bootsbauer gibt uns bereitwillig über Statik und Gewichtstrimm und Stabilität Auskunft. Ich will so'n Ding mal segeln! Ich laß nicht locker, bis ich dem armen Kerl seine Telefonnummer aus der Nase gezogen habe. Vielleicht klappt das ja!

Auf dem Weg nach Hause kommen wir an dem skurrilen Beweis vorbei, daß es doch irgendwie Leben im nordnorwegischen Wasser geben muß: wir identifizieren (mit Peters Hilfe via WhatsApp) irgendwas Steinbeißer-mäßiges, kleine Haie, Rochen und den Rest kann man auch irgendwie essen :-))

Interessante Verzahnung, teilweise etwas dysgnath und in der Jugend vernachlässigt, aber hey: gefressen wurden sie trotzdem!

Die nächste Station ist Bodö und das Ende meiner Teilnahme am Spitzbergen Trip.

Sehr wehmütig verlasse ich meine heißgeliebte Karre und überlasse sie meinem Gatten, sowie Pierre und Henning.Drei Mann in einem Boot. Oh weiah!

 

Ich werde die Karre vermissen, und das Glucksen, und die gemütlichen Frühstücke und das gemeinsame Kochen.

 

Und natürlichIch den Gatten! Den werde ich am allermeinsten vermissen! Unser herzig harmonisches Miteinander und der alltägliche spirituelle Austausch ;-) Nein,Hase, du bist wirklich toll! Knutsch Dich bist Du schielst!

 

  Ich freue mich auf Dusche (immer, wann ich will), unbegrenzt warmes Wasser, ein Klo ohne Ventilmanagement, unbegrenzt frische Wäsche, MEIN BETT!!!!...